Die letzten Monate haben unsere sail la vie verändert: Salon und Bugkoje wirken hell und einladend durch die neuen Polster und die Wandverkleidung. Dimmbares, sparsames LED Licht durchflutet jeden Winkel des Innenraums. Das marode Ruder erstrahlt in neuem Glanz. Der neue Batterie-Monitor hält uns über unseren Energiehaushalt informiert.
Wir sind beide unruhig und wollen wissen, ob unser Baby auch wirklich schwimmt.
Ich hatte im Vorfeld etliche Marinas am Chiemsee kontaktiert, um einen Gast-Liegeplatz zu finden. Aber entweder waren sie ausgebucht, oder sie meldeten sich erst gar nicht zurück.
Bei der Stippel-Werft schließlich hatten wir Erfolg und bekamen Zusagen für insgesamt drei Wochenenden Ende Mai, Ende Juni und Anfang Juli.
Der große Tag ist da.
Wir kuppeln den Trailer an und starten in Richtung Chiemsee. Schon von der Autobahn aus sehen wir das „Bayrische Meer“ und die vielen Segel, die dort heute über’s Wasser gleiten.
An der Stippel-Werft werden wir sehr freundlich empfangen und dürfen den Trailer gleich unter den Kran manövrieren. Wir zittern ein wenig, als die sail la vie da an den Riemen hängend über dem Trailer schwebt. Sie berührt seit unserem Kauf zum ersten Mal das Wasser, und wir sind schon erleichtert, dass sie sich nicht gleich in einem Teppich von Bläschen auf den Grund der Marina verabschiedet.
Natürlich haben wir keinen blassen Schimmer, wie es jetzt weiter geht. Matthias von der Stippel-Werft bietet uns an, uns beim Stellen des Mastes und beim Riggen zu unterstützen. Geduldig entwirrt er unsere Leinen und beschreibt uns Schritt für Schritt, welche Strippe wo hin gehört. Wir lernen all die lustigen Begriffe wie Achterstag, Vorstag, Oberwanten, Unterwanten, Babywanten. Und er erklärt ausführlich, wie der Mast getrimmt wird. Wir sind beeindruckt, wie hoch er sich über das Deck erhebt. Haben wir uns alles gemerkt? Bekommen wir das beim nächsten Mal selbst hin? Das wird sich zeigen.
Wir haben einen Segellehrer gebucht, der uns die Grundlagen des Segelns beibringen soll. Zwei mal drei Stunden haben wir angesetzt.
Am frühen Nachmittag kommt er mit dem Motorboot und legt neben der sail la vie an. Dann reicht er uns Rettungswesten, ein Brett mit einer darauf montierten Klampe und ein paar kurze Knotenübungsleinen herüber. Uns wird schnell klar, dass das gerade nicht in die Richtung läuft, die wir erwartet haben. Wir klären ihn auf, dass wir durchaus Knoten knüpfen können und drängen ihn, gleich raus zu fahren.
Naja, ich kürze das jetzt mal ab. Didaktisch war dieser Kurs …. sagen wir optimierungsfähig. Er zeigte uns Manöver, beschrieb aber nicht, in welchen Situationen sie ausgeführt werden. Bei einer Wende bei fast eingeschlafenem Wind verhängt sich die Genua in den Wanten, er zerrt mit Gewalt an der Schot und – rrrratsch – reißt die Naht am Liek an zwei Stellen. Wir sind … begeistert.
Aber nun kommen wir wenigstens in den Genuss, auf „hoher See“ die Genua ab- und unsere viel kleinere Fock aufzuriggen. Gut, dass wir in unserer mitgebrachten Leinenkiste alle hierzu notwendigen Utensilien, wie die Fallverlängerung, finden.
Und okay, wir haben schon auch einiges gelernt: Die Spiegelung oder Kräuselung auf der Wasseroberfläche zeigt uns an, wo Wind ist und wo nicht, wir lernen, welche Segelstellung bei welcher Windrichtung gewählt wird, und dass die großen Touristen-Schiffe verärgert hupen, wenn wir deren Fahrwasser kreuzen.
Nach drei Stunden laufen wir wieder im Hafen ein. Und wir sind uns einig, dass wir den zweiten Termin nicht nutzen werden.
Statt dessen trauen wir uns eine Stunde später alleine noch mal raus und machen wirklich ein paar Meilen.