Kroatien 2017 • Tag 12 • Abtakeln Richtung Nordwest

Letzter Tag unseres Urlaubs. Letztes Mal Aufwachen bei sanftem Wellengang. Letztes Mal der Marsch zu den Sanitäranlagen für eine erfrischende Dusche. Letztes Mal Frühstück an Bord. 

Uns ist klar, wir haben heute viel zu tun, das Boot abzuriggen und reisefertig zu machen.
Und noch während des Frühstücks wird uns auch klar, dass das kein Spaß wird. Schon jetzt um 8:30 Uhr zeigt das Thermometer 32°C.

Ein letztes Mal starten wir den Motor, tuckern vor zum Kranplatz und machen am Abrigg-Steg fest.

Nun folgt die imaginäre Checkliste zum Abriggen:

  • Dingi aus dem Wasser hieven, Salzkruste abspritzen, trocknen lassen und Luft ablassen
  • Bimini abbauen
  • Sprayhood abbauen
  • Reisetaschen und übrig gebliebene Lebensmittel einpacken und ins Auto schaffen
  • Mast-Transport-Stützen für Heck und Bug aus dem Auto mitbringen
  • Tisch im Salon flach legen, um Stauraum für Deckaufbauten zu schaffen
  • Roll-Genua abriggen, in Segeltasche packen und im Segelfach unter der Bugkoje verstauen
  • Baum mitsamt Großsegel abbauen und im Boot verstauen
  • Und „noch schnell den Mast legen“

Mast legen – Oder: Todesangst vor dem eigenen Bruder

Das Mast Stellen und Legen hatten wir ja jetzt schon einige Male und sind totaaal routiniert.

Ich bereite den Flaschenzug vor, stecke die Umlenkstange in den Mast und fixiere sie zur einen Seite mit der Genuafall, zur anderen Seite mit dem Flaschenzug. Wir können jetzt die Oberwanten und vorderen Babywanten lösen, und während Hannes den Mast in der Senkrechten stützt, löse ich auch noch die Vorstag.
Oh, ich habe gar keine Handschuhe an. Kann ich das dünne Seil des Flaschenzuges mit bloßen Händen halten? Ich sichere den Mast und bitte Hannes, mir meine Handschuhe zu holen. Irgendwo im Salon liegen die. Glaub ich. Hannes findet sie und reicht sie mir.
Und los geht’s: Ich lasse den Flaschenzug vorsichtig durch meine Hand gleiten, während Hannes den Mast langsam auf seinen Händen gestützt nach hinten umlegt. Dabei muss er vom Bootsdeck hinunter ins Cockpit klettern. Aber kein Problem, ich sichere den Mast ja mit dem Flaschenzug. Stück für Stück. Alles gut. Bis….
Mist, da ist ein Knoten im Seil des Flaschenzuges und ich kann nicht weiter nachlassen. Ich bitte also Hannes, kurz den Mast ganz alleine zu stützen, während ich mit einer Hand das Seil des Flaschenzuges halte, mit der anderen Hand versuche, den Knoten zu lösen. Hm, ist schon recht straff, der Knoten. Und mit einer Hand ist das eine ziemliche Fingerübung. Der Mast hängt schon auf 70° Neigung und für Hannes ist diese Position äusserst unangenehm, anstrengend und kräftezehrend, weil der Mast noch so hoch hängt, dass Hannes ihn mit ausgestreckten Armen stützen muss und nicht mal auf seine kräftigen Schultern legen kann. Aber ich hab’s ja gleich.
Gleich. Mist, das ist aber doof verheddert.
Warte. Da sind ja noch zwei Knoten! Moment.
Ich bräuchte mal etwas spitzes, meinen Leatherman. Der liegt aber ausserhalb meiner Griffweite auf dem Dach des Salons. Aber Hannes könnte da ran kommen, wenn er den schweren Mast nur noch mit einer Hand stützt, und den Leatherman zu mir nach vorne schubst. Geht das? 
Hannes flucht, und beim Blick über meine Schulter sehe ich die Adern auf seiner Stirn anschwellen und befürchte, dass ihm gleich vor Anstrengung das Blut aus den Ohren spritzt.
Moment noch, nur noch diese 7 Meter Seil zwei Mal durch die Schlaufe ziehen, dann hab ich diesen Knoten erst mal lose. Dann sollten es nur noch zwei, äh, nein drei sein. Momentchen noch.
Hannes stöhnt vor Schmerz in seinen Armen. Ich komme wirklich gut klar mit meinem Bruder, aber hätte er in diesem Moment eine Hand frei gehabt, hätte er mir sicher ein Messer in den Rücken gerammt.
FERTIG! Alle Knoten raus. Der Mast gleitet die letzten beiden Meter nach unten und liegt endlich auf dem Geräteträger auf.
Hannes stöhnt, wie ich ihn noch nie habe stöhnen hören. Und die Blicke, die er mir zuwirft, brennen tiefe Löcher in meine Haut.
Ich sag jetzt lieber erst mal ne halbe Stunde lang nichts, was ihn aufregen könnte.

Ich notiere: Vor dem Mast legen alle Knoten aus dem Flaschenzug entfernen. Kommt auf die Checkliste.

 

Während Hannes beginnt, das Deck für die Reise klar zu machen, gehe ich zum Marina Büro, bezahle unseren Liegeplatz und bekomme einen Krantermin für 14 Uhr. Zusammen zurren wir nun die Wanten am Mast fest und räumen das Deck. Ich hab noch immer Angst vor einer Mordattacke seinerseits und halte mich allzeit bereit für einen rettenden Notfall-Sprung ins Marina-Becken.

Um 13 Uhr sind wir soweit eigentlich fertig, haben noch Zeit bis zu unserem Krantermin, und genießen noch ein letztes Mal Cevapcici und einen gemischten Salat im Restaurant Bofora 9 in der Marina. Etwa zwanzig Servietten verbrauche ich, und trotzdem läuft der Schweiß unkontrollierbar in Strömen.

Hannes fährt das Auto an den Kran, und sein Foto vom Autothermometer beweist, ich übertreibe nicht mit den Temperaturen.

Aufgrund der vielen neuen Gäste in der Marina, die alle ihr Boot im Wasser haben wollen, verschiebt sich unser Krantermin etwas.
Noch etwas.
Sie müssen erst unseren Trailer vom Parkplatz holen. Gleich sind wir dran.

Um 15 Uhr dürfen wir endlich unsere sail la vie am Steg entlang unter den Kran ziehen. Die Marineros fädeln die dicken Kranbänder unter unserem Boot durch und hieven unser Dickschiff aus dem Wasser auf den Trailer. Das Unterschiff sieht gut aus. Keine Muschelbänke. Naja, nach 12 Tagen haben wir das auch nicht erwartet.

Wir bekommen das Boot unterhalb der Gürtellinie mit dem Hochdruckstrahler gereinigt. Wieder mal inklusive Abrasion großer Teile des Antifoulings. Zu viel Druck für so eine dünne Schicht…

Jetzt können wir das Ruder abbauen. Es hat sich gut gehalten. Immer noch strahlend weiß dank einer dicken Schicht Danboline Bilgenfarbe.
Und diesmal sind wir so schlau und spülen den Motor mit Frischwasser.

Motorspülung mit dem »Kopfhörer«

Wir laden das Ruder auf, spannen die Gurte um den dicken Bauch unserer sail la vie, prüfen noch mal den festen Sitz des auf Deck festgeschnallten Mastes und sitzen schließlich um kurz vor 16 Uhr schweißdurchtrieft im Auto.

Am Supermarkt halten wir noch mal kurz an, um uns mit gekühlten Getränken für die lange Fahrt zu versorgen.

Es liegen gut 600 km vor uns. Wir wechseln uns am Steuer ab und kommen gut voran.
Zwar lotst uns die Navigations-App über diese unsägliche Serpentinen-Strecke durch Kroatien Richtung Slowenien, aber wir haben keinen Stau. Nicht mal vor dem Karawanken-Tunnel.

Noch mitten im Tunnel sieht Hannes, der gerade am Steuer sitzt, im Rückspiegel etwas flattern. Da muss was lose sein.
Im Tunnel können wir nicht anhalten. Aber gleich nach der Ausfahrt haben sie extra für uns eine schöne große Rettungsbucht gebaut, in die wir jetzt rein fahren.
Wir steigen aus, und Hannes bekommt zittrige Knie: Das etwa 2 Meter lange, lose Ende des Spanngurtes am Bug, das wir kunstvoll mit dem gespannten Gurt verknotet hatten, hat sich gelöst und liegt die ganze Trailer-Länge schnurgerade nach hinten auf dem Rahmen auf. Nur 8 Zentimeter von den Rädern entfernt.
Hätte sich dieses lose Gurtende in einem der Räder verfangen, ….. da will Hannes gar nicht darüber nachdenken. Und ich überlege, wie ich diesen spektakulären Unfall in einer animierten PowerPoint Präsentation visuell umsetzen könnte.
Mich stresst das nicht. Ist ja nichts passiert. Und außerdem hatte ich ein erfülltes Leben 😉

Später, natürlich genau, als ich am Steuer sitze, fahren wir durch einen Wolkenbruch, wie ich ihn lange nicht erlebt habe. Ich sehe etwa 30 Meter weit. Also die Strecke, die wir in 1,35 Sekunden zurück legen. Das macht echt keinen Spaß. Und das helle Display von Hannes‘ Smartphone blendet mich zusätzlich vom Beifahrersitz.

Die  Pause an einem Rastplatz in Österreich haben wir uns echt verdient. Ein deftiger Schweinebraten mit Semmelknödel stimmt uns wieder auf unsere Heimat Bayern ein.

Nach 8 ½ Stunden Fahrt (inklusive Schweinebraten-Rast in Österreich) rangiert Hannes den Trailer mit der sail la vie rückwärts perfekt in den engen Standplatz in einer Halle im Norden Münchens.
Ach, es war schon schön, fast zwei Wochen Urlaub mit meinem Bruder auf dem eigenen Boot durch die Inselwelt der Kvarner Bucht… 

 

Kosten

Marina Punat Liegeplatz und Auskranen 85,53 €
Restaurant Marina Punat   26,08 €
Supermarkt Getränke für die Fahrt 6,48 €
Vignetten, Mautgebühren   20,73 €
Restaurant Österreich Zwei Schweinebraten 21,80 €
Sprit   76,99 €
Gesamt   237,61 €

 

 

2 Comments

  1. Veronika30. September 2017

    Bin ich froh Hannes hat dich nicht umgebracht, Grund hatte er schon 😠😠 aber nicht wegen 3 Knoten! ! 😍😆

    1. Matthias30. September 2017

      Keine Angst, Veronika. Wir sind Brüder und vertragen uns 😉

Comments are closed.

Scroll to top