Kroatien 2016 • Tag 10 • Schnell zurück nach Punat

Fast jeder bisherige Beitrag zu unserem Törn in Kroatien beginnt mit strahlendem Sonnenschein. Dieser nicht. 
San Marino begrüßt uns mit strömendem Regen. Da fällt das Aufstehen wirklich schwer.

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San Marino bei strömendem Regen

Und bei geschlossenem Hubdach, also in gebückter Haltung, beschränkt sich die Zubereitung des Frühstücks auf das Notwendigste. Gebückte Eier, gebücktes Müsli, gebückter Orangensaft. Noch ein gebücktes Stück Brot dazu? 

Während des spartanischen Frühstücks kreisen in meinem Hirn zwei quälende Gedanken:

  1. Der heutige Rudergänger wird einen nassen Hintern bekommen: Wir hatten aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen das hintere Cockpit-Kissen über Nacht draussen gelassen.
  2. Wie kann ich mit Hannes – möglichst vorteilhaft für mich – ausknobeln, wer bei diesem Sauwetter zum Hafenmeister laufen muss, um den Liegeplatz zu bezahlen?

Beide Fragen sind dann aber schnell brüderlich geklärt: Hannes spült das Frühstücksgeschirr, während ich zum Hafenmeister „schwimme“. Dafür darf ich mich in der Kajüte trocknen, während Hannes auf der heutigen Strecke das Steuer übernimmt.

Also mach ich mich auf den Weg durch den strömenden Regen. Im kleinen Büro des Hafenmeisters frage ich, was wir für den Liegeplatz schuldig sind. 

„Wie lang? Ah, nur ein Nacht? Nix.“
„Wie bitte?“
„Schon okay, is gut, nix bezahlen.“

Wow, DAS unterscheidet also die großen, luxuriösen Marinas mit stündlich penibel gereinigten Sanitäranlagen von den kleinen, deren einziger Duschraum weder über Licht noch über Belüftung verfügt. Dankbar akzeptiert!

Ich kehre mit der freudigen Nachricht zurück zum Boot. Hatte mir unterwegs Siegesreden auf mein Verhandlungsgeschick zurecht gelegt, aber dann doch darauf verzichtet und statt dessen ganz fair ein Loblied auf den netten Hafenmeister gesungen.

Hannes hat fertig gespült, aber schon während ich beschwingten Schrittes und vom Regen triefend auf dem Steg Richtung Boot hüpfe, zeigt er mit gerunzelter Stirn hinter mich … wo dicke, walzige Wolken über den Bergkämmen hängen. Das typische und untrügliche Anzeichen für die böse Bora.

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Die bösen Bora-Wolken….

m_img_6525Die Tiefe der Runzeln auf Hannes‘ Stirn geben mir schon eine Vorahnung auf seine quälenden Sorgen. Er will sich für die für heute geplante Überfahrt nach Punat unbedingt vorher Rat einholen. Also gut, gemeinsam noch mal vor zum Hafenmeister. Jetzt mit … Schirm!? Verda… Hatten wir einen an Bord? Warum war ich zuvor ohne Schirm unterwegs? DANKE, BRUDER!  👿 

Nachdem wir vorher – wie super-erfahrene Seeleute – ganz demonstrativ den Wetteraushang studiert haben, halten wir Smalltalk mit dem Hafenmeister.  Dann die entscheidende, aber bewusst ganz beiläufig gestellte Frage, ob wir etwas zu beachten hätten, wenn wir heute nach Punat übersetzen wollen. – Er hält kurz inne, seine interne Übersetzungsmaschine läuft wohl im Fehlersuchmodus.

„Segelboot? Heute? Punat? Kommt Bora!“
„Ja, aber wir wollen heute noch nach Punat.“
„Habe Motor? Mach schnell. Wenn Regen, kein Bora, kein Problem. Wenn kein Regen. Bora. Problem. Heute Regen, Heute keine Bora. Geht gut.“

Okay, klare Ansage. Wir müssen nur schnell sein, denn noch regnet es.

Während wir alle Götter um reichen und langen Regen anflehen, spurten wir durch die Pfützen zurück zum Boot und machen uns startklar.
Irgendwie haben wir alle Zeit der Welt vertrödelt (und in Gedanken unsere Testamente verfasst) und verlassen erst um 14 Uhr den Hafen.

Ab in die Bora…

Zunächst erwarten uns 10 Knoten Wind. Kaum sind wir aus der Bucht und drehen nach Nordwesten, lesen wir am Windmesser 16, in Böen bis 21 Knoten. Und die sail la vie stampft ganz schön merklich durch die Wellen. Noch ist alles fein, Hannes lächelt noch. Aber wir haben sicherheitshalber schon mal die Sicherheitswesten übergestreift. – Ach ja, nasser Hintern ist jetzt kein Thema mehr. Dieser Gedanke wird verdrängt durch die dunklen Wolkenwalzen, die sich auf den Bergkämmen stauen.

Und wir stellen fest: Wir sind die EINZIGEN auf dem Wasser….

 

Nach einer Stunde Fahrt geht’s dann so richtig los. Wir nähern uns dem Velebit-Kanal und die Bora zeigt uns, woher der Wind weht.
Unser Windmesser meldet Böen bis 29 Knoten. Und die Welle wirft uns ganz schön rum. Die sail la vie stampft und rollt, wie wir es noch nie zuvor erlebt haben. Hannes‘ lockerer Griff um die Reling verfestigt sich, wie die Muskelanspannung zwischen Daumen und Zeigefinger deutlich vermuten lassen.

Wilder Ritt

Ein erfahrenen Segler wird nur müde lächeln, wenn er folgende Bilder sieht, aber wir schwitzen trotz Rettungswesten wirklich Blut und Wasser. 
Die Böen steigen auf 30 Knoten und die Wellen wachsen. Das Stampfen und Rollen wird noch heftiger und wir klammern uns beide fest – absolut überzeugt, diese Fahrt nicht zu überleben. 
Hannes versucht seemännisch, gegen die Welle anzusteuern, aber nun, direkt im Velebit-Kanal und damit direkt in der Schneise der Bora, kommt unser 10 PS Tohatsu nicht mehr gegen den Wind an, und unsere Fahrt reduziert sich auf Null. Also legt Hannes unseren Kurs wieder quer zur Welle (Segelkurs, Teil 1: „NIEMALS QUER ZUR WELLE!“) und beschert der sail la vie damit eine lustige Achterbahnfahrt.
Bei den „15 Meter hohen“ Wellen krieche ich auf allen Vieren in die Kajüte und packe alle elektronischen Geräte in einen wasserdichten Beutel, um – wenn nicht uns – zumindest die Videoaufnahmen für die Nachwelt zu retten.

 

Kurz nach dem Velebit-Kanal lassen Wind und Wellen plötzlich spürbar nach. Die sail la vie schiebt dahin, als wär nichts gewesen.
Ich bin wirklich froh, dass Hannes uns so toll durch das Rauhwasser navigiert hat. Jetzt traue ich mich auch wieder ans Steuer und schippere die letzten Meilen in Richtung Marina Punat.

 

Um ca. 18:30 Uhr laufen wir in die Marina Punat ein und ein Mariniero weist uns einen Liegeplatz gleich neben einer 40 Fuß Motoryacht zu. Bei noch spürbarem Wind haben wir etwas Mühe, gerade in die Box zu schieben. Und trotz zwei Bugleinen und zwei Heck-Murings schwojt unser kleines Boot beachtlich hin und her, weil die Muringleinen am Heck für unser kleines Boot einfach viel zu lang sind und somit viel zu viel Spiel haben. Also legen wir noch eine Achterspring stramm an den Steg, um zu verhindern, dass uns der Wind an das Schmuckstück neben uns dotzt.

Eine halbe Stunde später sind wir schon unterwegs zum wohlverdienten Abendessen an Land. Punat zeigt sich jetzt so ruhig und friedlich, als wäre das der schönste Tag der Woche gewesen.

 

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Kosten Tag 10

Liegeplatz Punat für die nächsten drei Tage   86,10 €
Gesamt   86,10 €

 

 

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