Kroatien 2018 • Tag 12 • Hafenkino, Poser-Boot und Strom weg

Tagesplan

Wir werden keinen weiteren Tag in Zadar bleiben. Es ist uns dann doch etwas zu touristisch hier.
Folglich treten wir heute also die letzte Etappe unseres diesjährigen Törns an: Es geht von Zadar in südöstlicher Richtung am Festland entlang zurück in unseren Ausgangshafen Biograd.

Während wir ein gemütliches Frühstück mit frischem Kaffee genießen, checken wir nebenbei die heutigen Wetter- und Windvorhersagen. Nach den letzten Tagen mit dem Wind ständig im Gesicht, hohen Windstärken und eben so hohen Wellen erwartet uns wohl heute ideales Segelwetter. Auf der Fahrt nach Biograd werden wir heute laut Vorhersage Rückenwind mit angenehmen 6 bis 7 Knoten haben, Böen bis maximal 12 Knoten. Damit können wir super umgehen, und die sail la vie mag das auch. Wir sind happy und freuen uns auf die Überfahrt.

Hafenkino

Schon den ganzen Morgen herrscht auf dem gestern angekommenen Charter-Segler zwei Liegeplätze neben uns reges Treiben. Sie machen sich fertig zum Auslaufen. Nur der Inder hat sich wohl gestern irgendwo verletzt, und sitzt mit bandagiertem Fuß untätig und gelangweilt im Cockpit. Für ihn fängt der Törn ja gut an. Der Steuermann spricht jetzt deutsch mit den Mädels, und wir verstehen, dass sie wohl gestern nur wegen des Inders englisch gesprochen haben.

Die Mädels machen die Heckleinen los, und der Steuermann gibt Anweisung, nur die Muringleine steuerbords loszumachen. Die backbordseitige Leine will er wohl erst mal noch als Vorspring festgemacht lassen, um leichter aus der Box und um die Kurve zu manövrieren. Mit wenig Gas bewegt er das Boot aus der Box, schlägt aber, wie schon gestern, das Ruder nur eine halbe Umdrehung ein und kommt so natürlich nicht um die Kurve, sondern schiebt Richtung der Boote am gegenüberliegenden Steg. Die Mädels stehen am Bug und drücken sich mit den Händen von den anderen Booten ab, um die Kurve nach links. Die noch festgemachte Backbord-Muring ist nach hinten hin leider zu lang und locker, als dass sie einen Dreheffekt auslösen könnte. Also drücken und schieben die Mädels vorne den eigenen Bug weiter an den anderen Booten vorbei. Der Steuermann hat den Motor im Leerlauf und das Ruder … keine Ahnung. Auf jeden Fall machen eigentlich nur die Mädels mit den Händen den Manöver-Job beim Ausboxen.

Endlich sind sie um die Linkskurve, und der Steuermann gibt etwas Gas, um aus der Gasse zu fahren. Mit gerunzelter Stirn beobachten Hannes und ich, wie sich die immer noch am Steuerbord-Bug festgemachte Muring spannt und um das kleine Rib-Boot neben uns schlingt. Es wird jetzt schon gegen unsere sail la vie gedrückt und scheuert ächzend an unserem Freibord. Ich rufe laut „Muring, Muring!“, und erst jetzt erkennt der Steuermann die Misere. Er schreit den Mädels zu, die Muring loszumachen. Da die aber jetzt durch den Vorschub des Bootes bereits gewaltig unter Spannung steht, bekommt das arme Mädel die Leine nicht los. Der Steuermann ruft ihr zu, sie solle das Boot an der Muringleine ein Stück zurück ziehen, um die Spannung aus der Leine zu nehmen. Er ist sich wohl nicht bewusst, dass er den Motor noch immer in Vorwärtsfahrt arbeiten lässt, und das Mädel natürlich null Chance hat, gegen wohl 30 oder 40 PS anzuziehen. Es dauert ein paar Minuten, bis er das merkt und den Gang raus nimmt. Jetzt bekommt sie endlich die Muring losgemacht und lässt sie erleichtert ins Wasser gleiten.

Als ihr Boot langsam die Gasse entlang schleicht, schauen Hannes und ich uns fragend und ein bisschen schmunzelnd an.
Ob sie wohl die nächste Kurve genau so seemännisch meistern werden? Und wie lange sie wohl Ihren Törn überleben werden?
Uns wird bewusst, dass wir trotz nicht all zu üppiger Segelerfahrung zumindest im Hafen unser Boot perfekt im Griff haben.

Abschied von Zadar

Um etwa 10 Uhr marschiere ich zur Marina Rezeption, um uns abzumelden und den Liegeplatz zu bezahlen. Hannes füllt inzwischen an der nahe gelegenen Tankstelle noch mal einen 10-Liter-Kanister mit Benzin für unseren Tohatsu. Unser Wassertank ist leer, und wir füllen auch hier noch mal nach. Zwanzig Minuten später sind wir reisefertig, boxen aus – natürlich viel professioneller als unsere Liegeplatz-Nachbarn – und tuckern aus der Marina.

Draußen vor dem Hafen liegt am Stadtkai ein riesiges Kreuzfahrtschiff, die Seabourn Odyssey der Carnival Cruise Line. Fast 200 Meter lang und 9 Stockwerke hoch baut sie sich imposant neben der geringfügig kleineren sail la vie auf.

Noch recht überwältigt von diesem Anblick merken wir erst jetzt, dass irgendwas nicht stimmt: Wir haben ordentlich Welle und der Wind bläst uns mit 16 Knoten aus 45° von vorne entgegen. So hatten wir die Vorhersagen von heute früh aber nicht in Erinnerung. Dabei haben wir diesmal die Angaben mehrerer Quellen verglichen: WeatherPro, PredictWind und Windguru. Keine davon liegt also richtig. Schöner Mist.

Hannes hat sich psychisch auf Segeln eingestellt, und will dem Wind jetzt trotzen. Auf sein Geheiss hisse ich das Groß, und er rollt die Genua aus. Das geht eine Weile ganz gut, bis der Wind weiter zunimmt. Bei 20 Knoten Wind und 4 Knoten Fahrt legt sich die sail la vie auf 20° Krängung. Das wird uns zu unsicher, und Hannes vor allem zu stressig. Er muss ständig das Ruder korrigieren, um kurzzeitig enger in den Wind zu drehen und damit die Kraft aus den Segeln zu nehmen. Das erfordert höchste Konzentration, wie eine Fahrt auf der Autobahn bei 250 km/h. 
Wir holen die Segel ein und motoren lieber weiter. Andere Boote, die uns unter Segel in voller Fahrt locker überholen, machen uns ein wenig neidisch. Aber diese Boote sind fast doppelt so groß wie die sail la vie und verkraften diese Wind- und Wellen-Bedingungen spielend.

Ausfahrt aus Zadar und Überfahrt Richtung Biograd

Ankerpause an der Insel Galesnjak

Um kurz vor 13 Uhr, nach etwa dreieinhalb Stunden Motorfahrt, erreichen wir auf Dreiviertel der Strecke die drei kleinen Inseln Bisaga, Galesnjak und Ricul. Hier wollen wir eine kleine Pause einlegen und finden an der Südwest-Seite von Galesnjak eine etwas windgeschützte Bucht. Ein kleines Motorboot liegt hier schon, und wir werfen unseren Anker etwa 80 Meter weiter. Hannes schwimmt mit der Landleine zum Ufer und macht sie an einem Felsen fest.
Auf dem Boot spüren wir jetzt im Schutz der Bucht keinen Wellengang mehr und auch kaum noch Wind. Nur der oben auf 8 Meter Höhe an der Mastspitze montierte Windmesser bekommt noch eine Brise ab und meldet 17 Knoten. 

Nudeln mit Rindfleisch steht auf der Dose, die wir uns als Mittagessen auf kleiner Flamme langsam erhitzen. Dazu gibt es ein kühles Ankerbier. 
Hier gibt es weder Mücken, noch Wespen. Aber Hannes berichtet, dass Richtung Ufer der ganze Meeresboden mit Seeigeln bedeckt ist. 

Nur noch ein kurzes Stück Fahrt liegt vor uns Richtung Biograd. Daher bleibt ausreichend Zeit für ein Nickerchen und anschließend eine ausgedehnte Runde Schwimmen und Schnorcheln bei etwa 3,5 Meter Wassertiefe.
Ich kann Hannes‘ Beobachtung bestätigen: Hier wimmelt es von Seeigeln. Auf dem Meeresboden findet man kaum einen hellen Fleck zwischen den schwarzen Stachelkugeln.
Mit Taucherbrille und Schnorchel begutachten wir beide den Bootsrumpf. Nach fast zwei Wochen im Salzwasser kaum Bewuchs, alles sauber. Perfekt. Nur die erst kürzlich erneuerte Zink-Anode am Motor hat schon wieder deutlich an Volumen und Form verloren.

Nach zweieinhalb Stunden hat sich der starke Wind beruhigt. Wir sind ausgeruht für die letzte kleine Etappe.
Mir fällt die Aufgabe zu, die Landleine zu lösen. Ich schwimme also raus Richtung Ufer, und unterwegs erinnere ich mich an die Seeigel-Plage. Unter mir ist der Meeresboden fast schwarz. Ich will mich nicht am letzten Tag noch stechen lassen und dann zwei Wochen unter einer schmerzhaften Entzündung leiden. Durch die spiegelnde Wasseroberfläche halte ich Ausschau nach einem hellen Fleckchen, auf dem ich gefahrlos auftreten kann. Aber nicht zu weit entfernt vom Ufer, sonst muss ich so weit durch diesen schwarzen Teppich waten. Also schwimme ich möglichst weit ans Ufer, bis ich nur noch 40 cm Wasser unter mir habe. Glücklicherweise finde ich einen seeigelfreien Stein, auf den ich nun treten und mir einen weiteren freien Weg zum Ufer suchen kann. ich löse die Landleine und lasse mich mit einem Bauchplatscher ins flache Wasser fallen, um nicht mit den Füßen den Boden berühren zu müssen. Stichfrei geschafft. Mit der Landleine in der Hand schwimme ich zurück Richtung Boot. Aber die Leine hat sich unter Wasser an einem Stein verhakt, und ich muss nochmals Richtung Ufer schwimmen, ins flachere Seeigel-Wasser. Glücklicherweise kann ich die Leine durch Rütteln schnell frei bekommen und jetzt endgültig schwimmend und unverletzt das Boot erreichen.

Marina Biograd verweigert uns die Einfahrt 

Wir haben den Wind noch immer schräg von vorne, er hat sich aber auf 7 bis 8 Knoten reduziert.
Unter diesen Bedingungen können wir perfekt am Wind segeln und machen 4 Knoten Fahrt. So hätte das auch am Vormittag gerne sein dürfen. So macht das Spaß. So sind die sail la vie und wir glücklich.

Vor uns liegt Biograd. Schon bei der Einfahrt in die Marina wird es eng und hektisch. Viele Boote fahren ein und aus. Ein Marinero winkt uns zu, oder besser mit gekreuzten Armen ab, und ruft uns zu „Sorry, full, no place!“. Erklärend fügt er noch an, dass heute die Charter-Boote zurück kommen. Ich rufe zurück, dass wir hier bleiben müssen, weil wir Auto und Trailer hier haben und morgen auskranen wollen. Nach einiger Diskussion hin und her deutet er uns an, kurz zu warten, und zückt sein Telefon. Dann die erlösende Nachricht: Es gibt wohl doch noch ein Plätzchen für uns, und er weist uns den Weg zum Liegeplatz.

Wir docken ein, schließen den Landstrom an, und besuchen erst mal die Sanitäranlagen für eine erfrischende Dusche.  
Danach machen wir uns auf in die Stadt. Wir wollen vorne an der Promenade Essen gehen. Hier reiht sich ein Restaurant an das nächste, und die Auswahl fällt uns schwer. Also urteilen wir nach Art und Anzahl der Besucher und lassen uns in einem Restaurant mit umfangreicher Speisekarte und akzeptablen Preisen nieder. Hannes gönnt sich die Fleischspieße, für die ich mich eigentlich schon entschieden hatte, woraufhin ich notgedrungen auf auf das halbe Kilo Venusmuscheln ausweichen muss.


Venusmuschel-Massaker

Satt und zufrieden machen wir noch einen kleinen Spaziergang auf der Promenade.
An einer kleinen Mauer sammelt sich eine Menschentraube. Viele haben Fotoapparat oder Smartphone vorm Gesicht und knipsen und filmen. Neugierig drängen wir uns dazu. Da stehen mehrere Angler, darunter auch zwei Kinder, am Kai und holen stolz grinsend immer wieder kleine Fische aus dem Wasser. Aber darum geht es nicht. Etwa 100 Meter draussen auf dem Wasser dreht ein kleines Segelboot seine Runden, hin und her, auf etwa 50 Meter Strecke. Langsam wird uns klar, dass der Steuermann für die Passanten eine attraktive Fotokulisse seines Bootes vor dem Sonnenuntergang schaffen will. Und das wird hier gerne angenommen. Auch von uns.

Poser-Boot an der Promenade von Biograd

Kein Strom auf dem Boot

Zurück auf dem Boot fällt mir auf, dass die Instrumente im Cockpit aus sind. Keine Anzeige mehr. Hatte Hannes die ausgeschaltet? Nein, sagt er. Auch das Licht im Salon geht nicht. Und der Kühlschrank ist aus, sein Inhalt warm. Der Batteriemonitor, dessen Steuerleitungen direkt an der Batterie hängen, zeigt aber 100% Ladung an. Komisch. Ich prüfe die Sicherungen am Schalt-Panel. Alles in Ordnung. Haben wir am Ziel unserer Reise einen Komplettausfall der Elektrik? Mir schwant Böses, als ich mich daran erinnere, dass wir vorletztes Jahr aufgrund vorangeschrittener Korrosion den gesamten Masseblock in der Batterie-Lazarette tauschen mussten. So eine Aktion brauche ich bitte so schnell nicht mehr. 
Nach forensischer Analyse klärt sich dann aber die Situation recht schnell: Als wir vorhin vom Duschen zurück kamen, hat Hannes seinen Waschbeutel in seine Reisetasche gepackt, und als er die Tasche zurück in die Backskoje schob, hat er den Batterie-Hauptschalter, der sich dort an der Ecke unter dem Niedergang befindet, angestupst und versehentlich ausgeschaltet. Hauptschalter an, und alle Systeme fahren wieder hoch.

Leider müssen wir das erste Glas Wein heute Abend also erst mal warm ertragen, bis der Nachschub gekühlt ist.

Die Planung des Endes

Morgen wollen wir unsere Heimreise antreten. Vorher erwartet uns aber noch der zeit- und arbeitsaufwändige Abbau des Bootes. In den letzten beiden Jahren lief das eher hektisch und unkoordiniert ab, uns fehlte einfach der durchdachte Plan.

Dieses Jahr wollen wir uns nicht stressen, sondern legen jetzt in Ruhe fest, was morgen in welcher Reihenfolge gemacht werden muss.
Das Boot wollen wir mit stehendem Mast aus dem Wasser kranen lassen, um ihn dann in Ruhe und ohne Bewegung des Bootes legen zu können. Hoffentlich finden wir, wie auch schon beim Stellen des Mastes, jemanden, der uns netter Weise beim Legen zur Hand geht.
Die Solarpanels bauen wir auch erst an Land ab, um zu verhindern, dass uns die Schrauben ins Hafenbecken plumpsen.
Daraus ergibt sich im Laufe des Abends eine stattliche Liste:

  1. Reisetaschen packen, damit innen Platz wird
  2. Dingi abspülen, trocknen lassen, auf den Steg legen, Luft ablassen
  3. Bilge trocken tunken, zwischenzeitlich Bilgenabdeckung am Steg reinigen
  4. Genua abriggen, zusammenlegen, in der Bugkoje verstauen
  5. Cockpit-Polster im Salon verstauen
  6. Bimini abbauen, in der Bugkoje verstauen
  7. Sprayhood abbauen, im Salon verstauen

    Ab jetzt haben wir keinen Sonnenschutz mehr

  8. Dingi aufs Vordeck verladen
  9. Boot zum Kranplatz manövrieren
  10. Auto und Trailer vom Parkplatz holen und zum Kranplatz bringen 
  11. Elektromotor abbauen und in der Cockpit-Lazarette verstauen
  12. Baum abbauen und im Boot (Bugkoje + Salon) verstauen
  13. Auskranen
  14. Reisetaschen ins Auto umladen
  15. Fender in Cockpit-Lazarette verstauen
  16. Ruder abbauen
  17. Solapanels abbauen, ins Auto laden
  18. Mast legen, auf Deck vergurten
  19. Motor mit Frischwasser spülen
  20. Boot vergurten

Ein umfangreicher 20-Punkte-Plan also. Aber wir haben den ganzen Tag Zeit, wollen ohnehin erst gegen Abend aufbrechen.

Hannes wird nachdenklich… Er kann sich erinnern, nach dem Aufriggen des Bootes die achterliche Mast-Stütze aus Edelstahl in der Achterkoje verstaut zu haben. Auch die Spanngurte hat er dort hin geräumt. Aber wo ist die hölzerne Maststütze für den Bug? Er kann sich nicht erinnern, die an Bord oder ins Auto gebracht zu haben. Ich weiss auch von nix. Naja, wir werden morgen sehen, ob wir sie an Bord oder im Auto finden. Wenn nicht, müssen wir uns irgendwie aus altem Holz, das beim Kranplatz in großen Mengen herumliegt, eine neue Stütze bauen.

Unser Wein-Pegel entschärft die Situation recht schnell. Man wird sehen…

Logbuch

Abfahrt   10:20 Uhr
Pause   2,5 Stunden
Ankunft   17:50 Uhr
Fahrtzeit   5,0 Stunden
Strecke   17,3 Seemeilen
Durchschnittsgeschwindigkeit   2,3 Knoten
Höchstgeschwindigkeit   5,3 Knoten

 

Kosten

Benzin 10 Liter 15,43 €
Marina Zadar Liegeplatz 44,93 €
Restaurant Fleischspieße, Venusmuscheln, 4 Radler 37,89 €
Gesamt   98,25 €
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