Stupica Mala von oben
Die extrem lauten Grillen in dieser Bucht wecken mich schon um etwa 7 Uhr. Und auch Hannes kann heute nicht lange schlafen. Das Thermometer im Salon zeigt um kurz vor 9 Uhr schon 25°C, und die Luft liegt drückend über der Bucht, kein Wind, kein erfrischendes Lüftchen.
Nach dem Frühstück hüpft Hannes ins Dingi, paddelt zum Ufer, und lässt von dort aus unsere Drohne steigen.
Die Bucht Stupica Mala von oben
Strom-Management
Gestern Abend um 22 Uhr hatten wir laut Batterie-Monitor einen Energiestand von 20% bei 11,7 Volt.
Wir haben nun ja einen zweiten Kühlschrank an Bord. Aber die beiden Kühlschränke zusammen brauchen sehr viel Strom, und die Batterie würde das über Nacht nicht leisten können. Also entschlossen wir uns, die Butter und Marmelade aus dem neuen Kühlschrank in den alten umzulagern, und den neuen Kühlschrank abzuschalten. Zumindest über Nacht.
Heute früh um 7:30 Uhr zeigt der Batterie-Monitor 60% Ladung bei 12,3 Volt. Die Abschaltung des Kühlschranks gab der Batterie also Zeit, sich zu erholen, und den Solar-Panels die Chance, gleich in den frühen Morgenstunden, etwas Energie nachzutanken. Den neuen Kühlschrank brauchen wir nicht unbedingt. Also lassen wir ihn erst mal ausgeschaltet.
Um 10 Uhr stehen wir schon bei 85% und 12,7 Volt. Perfekt. Die Solar-Panels sind echt der Hit!
Tagesplan
Unsere Tour soll uns heute an der Südwest-Seite der Insel Žirje entlang und dann weiter zur Insel Murter führen, wo wir in der gleichnamigen Inselhauptstadt in der Marina Hramina die Nacht verbringen wollen. Laut Navionics eine Strecke von etwa 18 Meilen und einer Fahrtzeit von voraussichtlich 6 Stunden bei angenommenen 3 Knoten Fahrt.
Für heute wird nur schwacher Wind mit 5 Knoten, vormittags aus Ost-Südost, nachmittags aus dem Süden vorausgesagt. Für unsere nördlich führende Route würde das angenehmen Rückenwind bedeuten. Aber 5 Knoten sind halt nicht gerade viel. Mal sehen, was wir in der Praxis daraus machen.
Der Wind schläft noch
Als wir um etwa 10:30 Uhr den Anker heben und aus der Bucht motoren, zeigt unser Windmesser gerade mal 3 Knoten an. Das ist echt nicht viel. Die See ist spiegelglatt. Wir hissen trotzdem die Segel und lassen uns vom leichten Wind gemächlich treiben.
Nach einer Stunde sehr langsamer Fahrt errechnet Navionics eine geschätzte Ankunftszeit von 20 Uhr. Admiral Hannes hat Mühe, sich am Steuer wach zu halten.
Admiral Hannes schläft am Steuer fast ein
Das ist uns dann doch etwas zu gemächlich. Wir werfen den Motor an und motorsegeln bei jetzt 5-6 Knoten Halbwind mit 4,2 Knoten Fahrt bis zur Nordspitze der Insel Žirje.
Nozdra Vela
Der Auswuchs am Nordende von Žirje sieht aus wie ein … Tier, das von einem anderen Tier gefressen oder ausgekotzt wird. Und das Maul des Tieres ist die fast rechteckige Bucht Nozdra Vela.
Die Bucht Nozdra Vela an der Nordspitze der Insel Žirje
Hier kommen wir fast exakt um 12 Uhr an. Auch nahe am Ufer hat die Bucht noch eine Tiefe von 7 Metern. Wir werfen trotzdem den Anker und machen zusammen mit einer Möwen-Familie eine Mittagspause.
Nach einer dreiviertel Stunde brechen wir auf zur zweiten Etappe gen Norden. Der Wind hat jetzt, wie vorhergesagt, gedreht und erreicht uns aus dem Süden. Aber jetzt mit 0 bis 1 Knoten kaum noch messbar. Wir motoren mit 5 Knoten Richtung Norden.
Um halb drei Uhr, kurz nachdem wir das Inselchen Kukuljari passiert haben, stottert der Motor kurz und geht dann ganz aus. Der Tank ist leer. Bei spiegelglatter See kippen wir 10 Liter Kraftstoff aus dem Kanister nach. Inzwischen schaffen wir das ohne großes Geklecker, aber die scharfen Kanten der engen Tank-Back zeichnen uns lustige Striemen auf die Arme. Weiter geht’s.
Passage durch Flachwasser
Gegen halb vier Uhr haben wir das Nordende der Insel Murter erreicht und tasten uns nun mit 3 Knoten Schleichfahrt durch das sehr flache Gewässer.
Wir durchqueren Flachwasser zur Marina Hramina
Teilweise gleitet die sail la vie hier durch 2 Meter Wassertiefe, und damit nur noch 40 cm über dem Meeresgrund dahin. Ich kann die Seeigel zählen.
Fahrt durchs Flachwasser
Marina Hramina
Als wir in das Marina-Becken einfahren, begleitet uns jetzt plötzlich heftiger Wind und auch ordentlich Welle. Die geologische Anordnung der Inselgruppe bildet hier offensichtlich eine Schneise, durch die der Wind geführt und beschleunigt wird. Das macht die Einfahrt in die Marina nicht gerade einfach.
In der Marina Hramina ergattern wir um etwa 16 Uhr wieder mal einen der letzten Liegeplätze, machen fest und verkabeln die sail la vie mit Landstrom.
Nach einer erfrischenden Dusche erkunden wir das kleine, wirklich schöne Städtchen Murter. In der Hafenmeile locken viele Geschäfte, Restaurants und Marktstände, und auf einem Platz wird gerade eine Bühne für eine Veranstaltung aufgebaut.
Ein Restaurant direkt am Wasser gefällt uns, und wir schlagen uns die Bäuche mit einer übergroßen und gleichzeitig leckeren Portion frittierter Calamari voll.
Leckere Calamari in Murter
Auf dem Rückweg zum Boot finden wir einen Supermarkt und besorgen hier ein wenig Nachschub an Lebensmitteln und Getränken.
Ein iPhone macht Tiefe
Zurück auf dem Boot können wir jetzt erst mal entspannen. Ich schnappe mir mein iPhone und ….
Nein, ich muss erst mal ein bisschen ausholen. Vor zwei Jahren habe ich mir für mein iPhone 6S Plus eine wasserdichte Hülle besorgt. Auf dem Boot ist es schließlich immer irgendwo irgendwie feucht. Und mein iPhone Modell ist im Gegensatz zu seinen Nachfolgern noch nicht wasserdicht. Diese Hülle hat auch noch ein praktisches Feature: eine Handschlaufe. So kann ich auf Deck mit dem iPhone herum turnen und Fotos und Videos aus so mancher ungewöhnlichen Position machen, ohne befürchten zu müssen, dass mein teuerer Begleiter versehentlich auf hoher See über Bord geht.
Schon nach kurzer Zeit ging leider an der Hülle der Gummistöpsel verloren, der den Lightning Port, also den Strom- und Daten-Anschluss, abdichtet. Die jetzt nicht mehr ganz so wasserdichte Hülle habe ich trotzdem behalten, alleine schon wegen der praktischen Handschlaufe. Und genau diese Handschlaufe wird mir jetzt zum grausigen Verhängnis…
Zurück auf dem Boot schnappe ich mir also mein iPhone, das ganz hinten im Cockpit, nahe des Steuerstandes, auf dem Sitzpolster liegt. Beim Hochheben verhakt sich die sonst so praktische Handschlaufe jetzt aber ganz unpraktisch an der Schotklemme, durch den plötzlichen Widerstand rutscht mir das iPhone aus der Hand, ploppt kurz auf dem Freibord auf, und geht dann mit einem eleganten Kopfsprung über Bord ins Wasser. Etwa zwei Sekunden schaue ich ungläubig zu, wie das iPhone samt Hülle und vermaledeiter Handschlaufe lustig hin und her schaukelnd im trüben Wasser des Hafenbeckens versinkt. Dann sehe ich nur noch drei, vier Luftbläschen aufsteigen.
Ein aufgrund meiner kreischenden Stimme sicher nicht überhörbares „SHIT“ ist in diesem Moment der einzige Terminus, der meine Gefühle auch nur annähernd beschreiben kann. Ich verwende diesen Schrei daher gleich mindestens zehn mal in aufsteigender Lautstärke und Stimmschrille, um Nachdruck zu verleihen. Gleichzeitig reiße ich mir das T-Shirt vom Leib, halte aber bei der Hose kurz inne, weil wir hier Liegeplatznachbarn haben, vor denen ich nicht unbedingt nackt ins Wasser springen will. Hannes schreckt auf, erkennt anhand von so viel und so lautem und schrillem „SHIT“ den Ernst der Lage und macht mir Platz, damit ich im Boot meine Shorts gegen eine Badehose tauschen kann. Als ich, nun mit Badehose, wieder aus dem Salon klettere, ruft er mir „drei Meter sechzig“ zu und drückt mir die Taucherbrille in die Hand. Gut mitgedacht, Bruder!
Ich stülpe die Brille über, klettere über die Heckreling und werfe mich todesmutig in die Dreckbrühe. Das Wasser ist wirklich trübe und die Boote lassen dazu auch noch kein Sonnenlicht in die grüne Tiefe durch. Ich sehe NICHTS. Aber ich weiss, an welcher Stelle das iPhone Luftbläschen zum Abschied geschickt hat, und versuche, genau dort zum Grund zu tauchen. Und tatsächlich sehe ich da etwas im Schlamm glitzern. Es ist die dünne Schicht Luft, die sich zwischen Display und Hülle des iPhones befindet, die mir jetzt den Weg weist. Ich greife nach dem iPhone und will auftauchen. Es rutscht mir aus der Hand und fällt wieder zum Boden, wo jetzt der Schlamm aufgewirbelt wird. Ich sehe jetzt weniger als nichts, auch kein Glitzern mehr. Ich muss den Boden abtasten, und habe das iPhone schließlich wieder in der Hand. Diesmal greife ich die Handschlaufe und streife sie über mein Handgelenk. Die Luft ging mir schon vor mindestens 20 Sekunden aus. Schließlich bin ich alt. Und Raucher. Und in einer Stresssituation. Also schnell nach oben.
Das iPhone ist das erste, was an meinem nach oben ausgestreckten Arm die Wasseroberfläche durchbricht. Ich sehe das dreckige Hafenwasser aus der Hülle laufen. Nicht gut.
Zurück an Bord reiße ich die Hülle auf, wische mit dem Handtuch die Wassertropfen vom iPhone Gehäuse. Dabei lächelt es mich mit dem Sperrbildschirm an. Ich schalte es sofort aus und stelle es in aufrechter Position auf ein paar Blatt Küchenpapier. Es soll jetzt erst mal trocknen.
Während der kommenden Stunde begreift mein Hirn langsam und schmerzend die Ausmaße dieses Geschehens: Das ist ein 900 € Gerät. Mein Liebling. Bisher immer sorgsamst gepflegt, nie herunter gefallen, keine Schramme, kein Kratzer. Und es ist im Urlaub mein Kontakt zu Freunden. Das penibel geführte Logbuch unseres bisherigen Törns ist da drauf. Und, oh SHIT nochmal, alle bisherigen Fotos und Videos unserer Reise. Bislang ungesichert. Und die Videos von der Hochzeit meiner Nichte, nur einen Tag vor unserer Abreise. Alles weg? Mein Hals schnürt sich gerade zu.
Ich halte die Spannung nicht mehr aus, sehe nach dem iPhone, und stelle fest, dass sich nur zwei, drei Tropfen in das Küchenpapier gesaugt haben. Und es zeigte ja vor dem Ausschalten noch den Sperrbildschirm. Also mache ich das, wovor jeder in gleicher Situation ausdrücklich gewarnt wird: Mit um die Unterkante des iPhones geschlossenen Lippen sauge ich kräftig, um noch verbliebenes Wasser aus dem Gerät zu befördern. Es schmeckt salzig und dreckig. Dann schalte ich das iPhone ein. Auf dem Display zeigt sich der Apfel. Es dauert gefühlt Stunden. Dann erscheint der Sperrbildschirm. Ich kann das Gerät entsperren und es scheint auf den ersten Blick normal zu funktionieren.
Kurze Diskussion mit Hannes: Wir müssen unbedingt die Fotos und Videos sichern. Mein Blick fällt auf die Batterieanzeige: 12%! Also schnappe ich mir im Salon ein Ladekabel und stecke es an. Keine Ladeanzeige. Was ist los? Ich stecke das Kabel mehrmals ab und wieder an. Tupfe dazwischen mit einem zur Spitze gerollten Küchenpapier den Ladeanschluss trocken. Kein Erfolg. Hat der ungeschützte Stromanschluss Schaden genommen? Ein weiteres „SHIT“ zischt über meine Lippen. Ich krabble in die Bugkoje und hole mein MacBook. Ich muss das iPhone da anschließen, um mit den letzten 12% Batterieladung wenigstens die Fotos und Videos zu sichern. Das MacBook braucht ewig, bis es hoch gefahren ist. Und dann erkennt es das angeschlossene iPhone nicht! Ich versuche auch das mehrmals. Erfolglos.
Hannes hat die rettende Idee, mit der App PhotoSync die Medien per WLAN vom iPhone auf das MacBook zu übertragen. Und das funktioniert tatsächlich! Während langsam die Anzahl der noch zu übertragenden Medien abnimmt, reduziert sich auch der Batteriestand des iPhones rapide. Wir stehen bei 2%, als das letzte Video auf dem MacBook gesichert ist. Puh!
Da kommt mir noch eine Idee: Ich stecke ein anderes Ladekabel ans iPhone… und PLING! Die Ladeanzeige erscheint. Whaat? Das Scheiß Lightning Kabel im Salon ist einfach nur defekt. Gegenprobe mit Hannes‘ iPhone: Tatsächlich. Auch das lädt nicht mit dem Kabel im Salon. Also ab in den Müll, Du elendes Drecksding, das mich gerade bis kurz vor den ersten Herzinfarkt gebracht hat.
Ich packe mein iPhone wieder in die inzwischen getrocknete, (teilweise) wasserdichte Hülle, die ihm wohl gerade den Lifecycle gerettet hat, und poste ganz enthusiastisch diesen Überlebenskampf bei Facebook.
Aber irgend etwas stimmt nicht. Das iPhone öffnet selbständig Apps, deren Symbole in der untersten Reihe angezeigt werden, und innerhalb von Apps tippt es selbständig wirres Zeug auf der Tastatur. Ich schalte es noch mal aus und wieder an, aber das komische Verhalten bleibt. Hat das Touch-Display Schaden genommen? Muss ich mich doch verabschieden von diesem teueren Meisterwerk der Technik?
Da habe ich eine Eingebung: Ich packe das iPhone aus der Hülle, wasche die Hülle mit Süßwasser und lasse sie trocknen. Danach packe ich das iPhone wieder rein – und alles funktioniert wie es soll.
Die nach dem unfreiwilligen Tauchgang getrocknete Hülle hatte wohl an der Innenseite noch eine unsichtbar dünne Salzschicht vom Meerwasser, welche durch ihre elektrische Leitfähigkeit das kapazitive Touch-Display des iPhones beeinflusste. Fall gelöst.
Nach einer weiteren Dusche können wir jetzt endlich einen ruhigen Abend bei einem Glas Wein genießen.
Hannes lässt es sich nicht nehmen, einige Eindrücke der letzten Tagen in einem Trailer-Video zusammen zu fassen.
Danke, Admiral!
Logbuch
Abfahrt | 10:30 Uhr | |
Pause | 0:45 Stunden | |
Ankunft | 16:00 Uhr | |
Fahrtzeit | 4:45 Stunden | |
Strecke | 17,7 Seemeilen | |
Durchschnittsgeschwindigkeit | 3,5 Knoten | |
Höchstgeschwindigkeit | 5,3 Knoten |
Kosten
Restaurant | 33,83 € | |
Supermarkt | Lebensmittel und Getränke | 20,57 € |
Gesamt | 54,40 € |