Ich wache früh auf in der Bucht Arta Mali. Die Bugkoje ist bei geschlossener Tür sehr stickig, und man bekommt kaum Luft. Deswegen habe ich wieder mal eine Nacht draussen im Cockpit geschlafen.
Es ist sehr ruhig. Auf den beiden anderen Booten in der Bucht rührt sich noch nichts. Ich höre nur das Wasser leise gegen das Boot plätschern, und eine der Leinen schlägt im leichten Wind hin und wieder an den Mast.
Hannes räkelt sich erst ein wenig später aus den Federn. Wir kochen uns einen Kaffee und backen Semmeln auf.
Tagesplan
Heute wollen wir ein großes Stück Richtung Westen segeln.
Als erstes Ziel haben wir die Insel Žut auf dem Programm. Dort gibt es eine Marina, in der wir eigentlich eine Nacht verbringen wollten. Aber die dortigen Einschränkungen (Wasser nur von 8-10 Uhr, Strom nur von 8-12 und 18-24 Uhr, Einkaufsmöglichkeit nur im überteuerten Marina-Laden, nur ein nicht so toll bewertetes Restaurant) schrecken uns jetzt doch ab. Aber kurz ansehen wollen wir uns die Marina wenigstens mal.
Danach soll es weiter gehen zur Insel Dugi und dem dortigen Nationalpark Telašcica, einer sehr großen, lang gezogenen Bucht, die sich 8 Kilometer in die Insel schneidet.
Überfahrt nach Žut
Um 11 Uhr brechen wir auf, motoren aus der Bucht Arta Mali und setzen die Segel. Eine kurze Weile haben wir guten Halbwind mit 8 Knoten und machen 4 Knoten Fahrt. Aber schon eine halbe Stunde später flaut der Wind auf 6 Knoten ab, und wir machen jetzt nur noch 2,8 Knoten Fahrt. Gemäß unserer selbst aufgestellten Regel schalten wir unter 3 Knoten Segelfahrt den Motor zu. Es geht vorbei an den Inseln Vrgada und Kozina, hindurch zwischen den eng stehenden Inseln Zizanj und Gangaro, und dann mit einem großen Schlag westwärts zur Insel Žut.
Um etwa 14:30 Uhr fahren wir dort in die Bucht ein, in der die Marina Žut liegt. Die sieht alles andere als spannend aus, sehr offen, kaum Schutz.
Es war eine gute Entscheidung, diese Marina von der Liste unserer Ziele zu streichen.
Überfahrt nach Dugi
Wir fahren um den nördlichen Zipfel der Insel Žut herum und schlagen Westkurs ein Richtung Südende der Insel Dugi. Dort liegt der Nationalpark Telašcica, unser heutiges Tagesziel.
In die Bucht Telašcica gelangt man von Festlandseite kommend durch zwei Durchfahrten nördlich und südlich der kleinen Insel Katina. Südlich unterhalb dieser Insel beginnt gleich der Nationalpark Kornati, für dessen Befahrung hohe Gebühren fällig sind. Und die südliche Durchfahrt an der Insel Katina ist schon Nationalparkgebiet. Deswegen müssen wir uns durch die viel engere nördliche Durchfahrt schlängeln, nur etwa 30 Meter breit.
Nationalpark Telašcica, darunter, rot umrandet, der Nationalpark Kornati
Die Durchfahrt verläuft trotz starkem Wind problemlos und wir fahren in die Bucht Telašcica ein. Sie ist riesig. Wir fühlen uns fast wie auf dem Chiemsee.
Einfahrt in den Nationalpark Telašcica
Kurz nach der Einfahrt liegt steuerbords die Bucht Cusca Duboka, ein sehr tiefer Einschnitt. Dort fahren wir mit gedrosseltem Motor hinein und durch bis ganz zum flachen Ende. Kein Wind, keine Welle gelangt hier her. Das merkt man auch am Wasser: Es ist eine sehr trübe Suppe, die hier ohne jegliche Bewegung steht. Ein Motorboot liegt hier vor Anker. Uns kann die Bucht nicht begeistern, und wir machen kehrt und fahren wieder hinaus.
Dann also ins Bojenfeld der Bucht Mir, gegenüber an der Westseite des Parks. Wir fahren das Feld langsam vom Anfang bis zum Ende ab, aber wir finden keine einzige freie Boje.
Krusevica
Unsere letzte Hoffnung: Die Bucht Krusevica, wieder drüben an der Ostseite.
Tatsächlich ergattern wir hier die letzte noch freie Boje und machen schnell daran fest, bevor sie uns jemand weg schnappt. Puh! Das war ja eine schöne Irrfahrt.
Der Wind schiebt ordentlich Wellen in die Bucht. Die sail la vie rollt unruhig hin und her.
Nach uns kommen noch weitere Boote, die jetzt keine Boje mehr finden. Eine halbe Stunde lang beobachten wir ein französisches Boot, dessen Crew immer wieder vergeblich versucht, mitten im Bojenfeld den Anker zu setzen. Als er nach dem fünften Versuch endlich greift, liegt er so ungünstig, dass das Boot beim Schwojen fast das Nachbarboot rammt. Also noch mal Anker hoch, das Boot weiter raus an den Rand des Bojenfeldes versetzt, und Anker wieder runter. Jetzt scheint er zu halten.
Ist schon interessant, bei solchen verzweifelten Manövern zuzusehen, während man selbst sicher an der Boje hängt.
Ein Motorboot brummt heran. Zwei Uniformierte erklären uns die Sachlage, dass wir uns in einem Nationalpark aufhalten (wissen wir ja) und kassieren die Gebühr von 250 Kuna. Der Bärtige erbettelt noch eine Zigarette von mir und inhaliert, grinsend und offensichtlich überglücklich, gleich den ersten tiefen Zug. Wo der wohl seine Kippe entsorgt? Hoffentlich nicht einfach über Bord…
Wir recherchieren über die Konoba, die an dieser Bucht liegt. Betrieben von Golan, einem Alt-Hippie, und in unserer Navigations-App Navionics bewertet mit „Uriges Lokal“. Da wollen wir zu Abend essen.
Wir haben da nur ein kleines Problem.
Neben dem Tohatsu Aussenbordmotor haben wir auch einen kleinen Elektromotor nebst zweiter Batterie. Dieser Elektromotor ist am Heck der sail la vie montiert, um damit am Chiemsee zu manövrieren, wo Benzinmotoren nur zur Hafenaus- und -einfahrt und in Notsituationen erlaubt sind. Praktischerweise können wir den Elektromotor mit wenigen Handgriffen von der sail la vie ab- und am Dingi anmontieren. Dann nur noch die Batterie aufs Dingi wuchten, und los geht die wilde Fahrt.
Leider mussten wir schon zu Beginn unseres Törns feststellen, dass sich eine der beiden Schrauben, mit der der Motor an der Halterung an der sail la vie befestigt ist, nicht lösen lässt. Sie ist offensichtlich festgerostet. Schon mehrmals haben wir sie mit WD40 behandelt und mit zum Teil roher Gewalt versucht, die Schraube zu lockern. Keine Chance. Also haben wir keinen Motor für das Dingi und haben uns bisher mit den Rudern beholfen.
In dieser Bucht haben wir jetzt aber Wind mit 8 Knoten und entsprechende Wellen mit etwa 30 cm. Der Wind weht Richtung Konoba. Dort hin kommen wir also sicher, vom Wind getrieben sogar fast ganz von selbst. Aber wie kommen wir danach zurück aufs Boot? Gegen 8 Knoten Wind anzurudern ist kein Kinderspiel, und da das Dingi keinen Kiel hat, ist es auch nicht unbedingt leicht im Kurs zu halten.
Wir wagen es trotzdem, steigen ins Dingi, und stellen jetzt fest, dass das Schlauchboot für zwei Personen schon recht … kuschelig bemessen ist. Wenn sich einer auf den Bug setzt, kann der andere nicht mehr rudern, weil er an die Beine des Bugsitzers stößt. Also setzen wir uns beide jeweils an eine Seite des Bootes und nutzen die Ruder als Paddel wie bei einem Kanu. Das sieht furchtbar doof aus, funktioniert aber.
Golans Konoba
Bei der Konoba machen wir am Steinkai fest und gehen an Land. Meine Hose ist hinten ganz nass, weil durch den Wellengang und meine kräftigen Paddelbewegungen immer wieder Wasser über den Rand des Dingis schwappte. Hannes ist trocken. Wie geht das? Bin ich wirklich so fett, dass ich mit meinem Gewicht seine Seite des Dingis höher aus dem Wasser gehoben habe?
Die Konoba bietet etwa 60 Sitzplätze an 20 unterschiedlich großen Tischen in zwei stufenartig versetzten Ebenen. Auf drei großen Tischen auf der unteren Ebene mit Sicht auf die Bucht steht ein handgeschriebenes „Reživiran“-Schildchen (reserviert), also setzen wir uns an einen eingedeckten, kleinen Zweier-Tisch ohne Schildchen.
Und da kommt Golan. Ein Typ mit langen, zerzausten, fettigen, weiss-grauen Haaren, in schlabbriger, dünner, schwarzer Strandhose und einem fleckigen T-Shirt, Fluppe im Mundwinkel. Ob wir essen wollen und reserviert haben, fragt er. Essen ja, reserviert nein, geben wir zu verstehen. Dann können wir hier nicht sitzen, meint er, und geleitet uns zu einem einsamen, kleinen, grob gehauenem Tischchen mit Holzblöcken als Sitze, abseits der beiden Tisch-Ebenen und außerhalb des überdachten Bereichs. Das sieht urig aus, aber alles andere als bequem. Aufgrund unseres Hungers akzeptieren wir widerwillig. Golan trottet davon und wendet, immer noch mit Zigarette im Mund, Fleisch und Fisch auf dem Grill. Ein bisschen sind wir jetzt froh über unseren etwas abseits gelegenen Tisch: Die anderen Tische, zumindest die auf der oberen Ebene, werden ordentlich eingeräuchtert.
Schnell bringt die junge Bedienung mit übergroßem Vorbau die beiden bestellten Biere. An den Flaschen bildet sich Frost, so kalt ist es, und es erfrischt auch aus den dazu bereitgestellten Weingläsern.
Hannes fragt in saloppem Bayrisch nach der Speisekarte. Sie spricht kein deutsch, erklärt auf englisch, dass es keine Karte gibt und leiert herunter, was die Küche heute zu bieten hat. Sehr übersichtlich. Und auch mündlich vorgetragen leicht zu merken. Wir bestellen einen Oktopus-Salat als gemeinsame Vorspeise, dann Lamm und Schwein vom Grill, dazu Kartoffeln, gegrilltes Gemüse und einen Salat. Es ist alles sehr lecker. Aber mit 400 Kuna extrem teuer.
Während wir essen, kommt das bereits in unserem Buchtenführer erwähnte Supermarkt-Boot und steuert Golans Konoba an. Es ist randvoll beladen mit Früchten, Obst, Gemüse und Getränken.
Hektisch organisiert Golan, dass einige der Dingis, die in seinem Mini-Hafen festgemacht hatten, an die Aussenseite des Kais umgeparkt werden. Golan eilt in seiner Schlabberhose zum Kai, hilft „Toni’s Supermarket“ beim Anlegen und deckt sich dann mit Nachschub ein.
Golans Konoba und Toni’s Supermarket
Auch am Ende unseres Mahls sind in den beiden überdachten Tisch-Ebenen nur vier der 20 Tische belegt. Wir verstehen nicht, warum wir an diesen grob geschnitzten Abseits-Tisch verbannt wurden. Ein nach uns eingetroffenes, älteres Ehepaar, das laut dem belauschten Gespräch mit Golan wohl ebenfalls keine Reservierung hatte, sitzt jetzt genau an dem Zweiter-Tisch, von dem wir zuvor vergrault wurden. Verstehe einer die Unternehmens-Philosophie von Golan und seiner Konoba…
Wind und Wellengang haben sich inzwischen etwas beruhigt, und wir machen uns in unserem Dingi ohne Motor auf den Weg zurück zum Boot.
Nach einer ausgiebigen Plansch-Runde im erfrischenden Wasser der Bucht Krusevica genießen wir jetzt bei ein paar Gläsern Wein den tollen Sonnenuntergang.
Logbuch
Abfahrt | 11:00 Uhr | |
Pause | – | |
Ankunft | 17:25 Uhr | |
Fahrtzeit | 6:25 Stunden | |
Strecke | 22,8 Seemeilen | |
Durchschnittsgeschwindigkeit | 3,5 Knoten | |
Höchstgeschwindigkeit | 5,1 Knoten |
Kosten
Nationalpark-Gebühr | inklusive Bojenplatz | 33,83 € |
Restaurant | Golans Konoba | 54,13 € |
Gesamt | 87,96 € |