Kroatien 2018 • Tag 9 • Bäckerboot und Klippen

Meine senile Bettflucht treibt mich wieder mal sehr früh aus dem Schlafsack im Cockpit.
Im Vergleich zu gestern ist das Wasser heute recht glatt in der Bucht Krusevica, und der Windmesser pendelt unschlüssig zwischen 0 und 2 Knoten. 

Ich mache einen kurzen morgendlichen Check und notiere 20% Batterieladung um 6:37 Uhr. Das muss mich aber nicht im Geringsten beunruhigen, denn dank absolut wolkenlosem Himmel erledigen Sonne und Solar-Panels das randvolle Nachtanken kosten- und geräuschlos innerhalb weniger Stunden. 

Toni’s Bakery

Toni hat nicht nur ein Supermarkt-Boot, das wir gestern bei Golans Konoba kennen lernen durften, sondern auch ein Bäckerei-Boot. Das kreist schon morgens um 8:45 Uhr durch unsere Bucht. Wir winken es heran und kaufen dem jungen Kapitän Croissants und Krapfen ab. Beides schmeckt lecker, nur der Puderzucker auf den Krapfen ist aufgrund der Wärme schon zu einer klebrigen Schicht geschmolzen.


Toni’s Bakery

Das ist doch mal ein genialer Service für Segler.

Einmal um die Möpse

Um kurz nach 10 Uhr haben wir den Frühstückstisch abgeräumt und machen von der Boje los. Mit Motor (mangels Wind) erkunden wir nun den nördlichen Teil des Naturparks Telašcica.


Von der Bucht Krusevica in die Bucht Tripuljak

Wir fahren durch „Klein-Gibraltar“ und umrunden eine der beiden Inseln hier oben. Hier hätte es schöne Ankerplätze gegeben, nicht tief, und vermutlich recht geschützt vor Wind und Welle. Das hätten wir mal gestern schon wissen müssen. 

Erst jetzt auf der Karte fällt mir auf, dass die beiden kleinen Inseln Donji Skolj und Burnji Skolj wie zwei Möpse im oberen Becken des Parks liegen.
Und ich stelle auch fest, dass die verschiedenen Karten, die wir für Navigation und Recherche nutzen, unterschiedliche Bezeichnungen verwenden: Die größere Hauptbucht weiter unten, die ich gestern noch als „Mir“ kannte, heisst jetzt in unserer Navigations-App „Tripuljak“. Man möge mir daher die abweichenden Bezeichnungen in meinen Darstellungen verzeihen.

Direkt nach der erneuten Durchfahrt von „Klein-Gibraltar“ stottert der Motor und geht aus. Der Sprit ist leer. Wir füllen den nächsten 10-Liter-Kanister in den Tank. Das geht jetzt schon echt schnell. Wir brauchen nur etwa 4 Minuten.
Zuletzt hatten wir vor drei Tagen auf der Überfahrt von Žirje nach Murter 10 Liter Kraftstoff in den leeren Tank gefüllt. Zu diesem Zeitpunkt berichtet unser Logbuch 30,1 Motorstunden seit Beginn unseres Törns. Jetzt lese ich 60,7 Motorstunden ab. Der Tohatsu hat also in 30,6 Motorstunden 10 Liter Kraftstoff verbraucht. Das entspricht etwa 0,33 Liter pro Stunde. Oder 3 Stunden pro Liter. Bei durchschnittlich 4 Knoten Fahrt unter Motor entspricht das etwa 4,45 Liter auf 100 km. Nicht ganz so schlecht für einen 10 PS Motor, der ein 1,8 Tonnen Gefährt durchs Wasser schieben muss.

Klippen und Salzsee

Die große Attraktion im Naturpark Telašcica sind die hohen Steilklippen an der Adria-zugewandten Seite der Insel Dugi, die sich bis zu 200 Meter über den Meeresspiegel erheben und unter der Wasseroberfläche fast 90 Meter in die Tiefe fallen, und der Salzsee an der gleichen Küste, etwa auf halber Höhe des Berges. Aahh, der See heisst „Mir“, nicht die Bucht. Das klärt die unterschiedlichen Namen, die ich auf unseren Karten lese.


Klippen und Salzsee im Naturpark Telašcica

In der Bucht Tripuljak fahren wir durch das Bojenfeld und finden, wie schon gestern, keine freie Boje. Wir überlegen gerade, wo wir unerlaubter Weise nahe des Ufers den Anker werfen können, als wir ganz am südlichen Ende der Bucht eine freie Boje entdecken, an der wir festmachen.

Es ist 11:30 Uhr. Unser Ticket für den Park gilt bis 12 Uhr. Das wird ne knappe Nummer, aber wir wollen unbedingt die Klippen und den Salzsee sehen.
Nach einem kurzen Snack – und natürlich einem Anker-Bier –  steigen wir ins Dingi und paddeln bei absoluter Windstille an den Kai, wo wir neben gefühlt zweitausend anderen Dingis festmachen. 

Die Klippen

Ein Schild weist uns den Weg zu den Klippen, und mit Flipflops, also international anerkanntem Wander- und Bergsteigerschuhwerk, folgen wir dem schmalen Pfad 140 Meter steil nach oben. Entlang des Pfades weist alle 20 Meter ein Schild auf die Waldbrandgefahr hin, und ich streichle liebevoll, aber tapfer die Zigarettenschachtel in meiner Hosentasche.

Oben am Grat des Berges angekommen, bietet sich uns ein atemberaubender Blick auf die Klippen. Es geht wirklich ordentlich steil in die Tiefe, und nur mit Respekt nähern wir uns dem Geländer. 
Hannes nutzt die Windstille für einen Drohnenflug über den Abgrund.

Klippen im Naturpark Telašcica

Der Salzsee

Nachdem die Drohne wieder sicher im Köfferchen verpackt ist, folgen wir weiter dem Pfad, der uns zum Salzsee hinunter führt. Schon von weitem hören wir eine Geräuschkulisse, die uns an ein Freibad im Hochsommer erinnert. Und tatsächlich trauen wir unseren Augen kaum, als wir um eine Kurve biegen, und der See vor uns liegt. Hier geht es zu wie in einem Schwimmbad. Hunderte Besucher säumen das Ufer. Und das Kindergeschrei ist schwer zu ertragen. 
Wir halten nur kurz unsere Zehen ins Wasser, um die Temperatur zu fühlen. Schon schön warm. Aber es reizt uns nicht, hier Zeit zu verbringen.
Also gehen wir zügig am wuseligen Ufer entlang und schlagen dann den ab hier betonierten Weg zurück zum Kai ein. Der Weg ist nur etwa einen Meter breit, und wir können uns kaum durch die gegen uns Richtung See anströmenden Menschenmassen drängen.
Zurück am Kai sind unsere Shirts schweißgetränkt von der Höhenwanderung, und wir genehmigen uns in einem der Restaurants ein eiskaltes Radler, bevor wir mit dem Dingi zurück zur sail la vie paddeln.

Kaum auf dem Boot angelangt, kommt das uns bereits bekannte Boot der Parkwächter und geht längsseits. Wir klären kurz auf, dass wir gestern schon die Parkgebühr bezahlt haben. Der höhere Dienstgrad checkt das auf seinem Tablet und fragt, ob wir also noch einen Tag bleiben wollen, denn das Ticket war nur gültig bis 12 Uhr. Jetzt ist es 12:30 Uhr. Nein, sage ich, wir sind eigentlich schon mitten im Aufbruch. Den anderen auf dem Boot erkenne ich wieder. Es ist der Bärtige, dessen Suchtproblem ich gestern mit einer geschenkten Zigarette mildern konnte. Er redet nun kurz auf den höheren Dienstgrad ein, der uns dann noch einen schönen Tag und eine gute Weiterfahrt wünscht.

Als das Parkwächter-Boot endlich ausser Sichtweite ist, springen wir trotzdem noch mal in die Badehosen und dann ins kühle Wasser, um uns ein wenig zu erfrischen.

Überfahrt zur Insel Iž

Um 13 Uhr lösen wir die Leine von der Boje und brechen auf.
Unsere Fahrt führt uns zunächst südöstlich zur schmalen Durchfahrt raus aus dem Naturpark, und dann in nordwestlicher Richtung zur Insel Iž.


30 Knoten Wind gegenan

Hier bläst uns der Wind mit bis zu 31 Knoten exakt von vorne ins Gesicht, ein direkter Segelkurs wäre also unmöglich. Wir beobachten die anderen Segler, und einige davon kreuzen mit durchaus beachtlicher Geschwindigkeit. Das wollen wir jetzt mutig auch versuchen, setzen die Segel und fahren einen Kreuzkurs. Die sail la vie spielt trotz des starken Windes gutmütig mit und macht, nun am Wind, auch ordentlich Fahrt. Durch den Kreuzkurs ändert sich aber schon nach der dritten Wende die geschätzte Ankunftszeit von ursprünglich 18 Uhr recht schnell auf erst 20, dann 21 Uhr. Segeln ist ja schön, aber erst nachts im Dunkeln in einer Marina anzukommen, weniger. Wir holen die Segel ein und motoren wieder den direkten Kurs.
Bei Wind und Welle schiebt der Tohatsu die sail la vie stampfend und rollend durchs Wasser, während Gischt über unser Vordeck spritzt.

Überfahrt von Dugi nach Iž

Um etwa 17:30 Uhr biegen wie in die Bucht von Veli Iž ein.
Die Marina bietet etliche Liegeplätze an einem Kai entlang der Südseite der Bucht, aber alle Boxen sind schon belegt. Wir fahren ganz bis zum Ende, wo gerade eine kleine Gruppe von Leuten ein größeres Boot an einem L-förmigen Querkai vertäut. Einer davon scheint der Marinero zu sein, denn er taxiert die Ausmaße unseres Bootes, reckt sich in die Höhe, um seine übersichtliche Marina auf ein freies Plätzchen abzuscannen, und winkt uns dann zu sich an den Kai. Während wir ihm eine Festmacherleine zuwerfen, erklärt er uns mit lauter Stimme, dass heute die ganze Marina durch die Teilnehmer einer Regatta belegt ist. Er hat keine Plätze mehr, aber wir können hier, vor dem gerade festgemachten, größeren Boot anlegen. Das ist nicht mal ein ganzer Platz, die Hälfte der sail la vie steht über das Ende des Kais hinaus. Aber wir sind froh und dankbar, hier liegen zu dürfen. Wir müssen nur morgen das andere Boot hinter uns, dem wir jetzt die Ausfahrt versperren, auf Wunsch auslaufen lassen. Klar, kein Problem.

Wir schließen den Landstrom an und fragen den Marinero, wo wir hier tanken können. Der sagt, es gäbe hier keine Tankstelle, wir müssen wieder nach Süden in das Städtchen Sali fahren, etwa 6 Meilen. Wir wollen natürlich nicht wieder eine halbe Tagesreise dahin zurück fahren, wo wir her gekommen sind. Andererseits haben wir geschätzt nur noch etwa 5 Liter im Tank und weitere 5 Liter in einem Kanister. Das ist nicht viel, egal wohin uns unsere weitere Reise führt.

Jetzt gehen wir erst mal in das kleine Dorf, das direkt an der Marina beginnt. Gleich nach der ersten Kurve finden wir ein Restaurant, das uns sympathisch ist. Hier kehren wir ein. Die sehr freundliche Bedienung bringt uns schnell ein kaltes Bier und nimmt unsere Bestellung auf. Ja, es gibt wieder mal frittierten Tintenfisch. Am Nachbartisch sitzt ein älterer Herr in Begleitung einer deutlich jüngeren Frau. Es bleibt uns nicht verborgen, dass die beiden deutsch sprechen, und wir kommen in ein lockeres Gespräch. Der Herr lamentiert ein wenig über die Marina, und das Wetter, und dass früher alles besser und billiger war, und generell die ihm unpassende Gesamtsituation. Er hört sich selbst wohl gerne reden. Irgendwann kommen wir auch auf die Tanksituation zu sprechen. Und er bietet uns bereitwillig und nett ein paar Liter Sprit aus seinen eigenen Reserven an. Wir sollen uns bei Bedarf einfach bei ihm melden. Ihm gehöre das dritte Boot. Ah ja, fällt uns später auf, eine etwas genauere Angabe, zum Beispiel der Name seines Bootes, wäre hilfreich gewesen. Später auf dem Boot stellen wir aber fest, dass wir bei weitem nicht so viel Sprit verbraucht haben, wie wir angenommen hatten. Im Tank ist noch genügend Sprit für egal welches nächste Ziel. 

Auf dem Rückweg vom Restaurant überfallen wir noch einen der beiden Supermärkte im Ort und decken uns ordentlich mit Getränken für die nächsten beiden Tage ein. 
Während wir, zurück auf dem Boot, im Cockpit ein Glas Wein genießen, rotten sich die jüngeren Mitfahrer von zwei oder drei niederländischen Booten zusammen und springen kreischend vom Boot, das uns gegenüber am L-Kai liegt. Was für ein Gejohle. Aber das zeigt auch, wie geil so ein Segelurlaub für Kinder und Jugendliche sein muss, vor allem, wenn man Freunde auf anderen Booten findet. So etwas hätte ich in meiner Jugend auch gerne erlebt…

Ab etwa 21 Uhr schallt uns laute Musik entgegen. Sie kommt von der nur 80 Meter entfernten Nordseite der kleinen Bucht aus einem freistehenden Gebäude, das aussieht wie ein Café oder eine Bar. Wir sehen dort nur einen Barkeeper, eine gelangweilt wirkende Bedienung, aber keine Gäste. Die versuchen sie wohl gerade mit dieser ohrenbetäubend lauten Musik aus den frühen 2010ern anzulocken. Das gelingt ihnen bis etwa Mitternacht nicht, und die Musik wird erst leiser gedreht, und dann ganz abgestellt. Na endlich. 

Logbuch

Abfahrt   10:20 Uhr
Pause   1:30 Stunden
Ankunft   17:45 Uhr
Fahrtzeit   5:55 Stunden
Strecke   20,4 Seemeilen
Durchschnittsgeschwindigkeit   3,4 Knoten
Höchstgeschwindigkeit   4,9 Knoten

 

Kosten

Toni’s Bakery Croissants und Krapfen 6,77 €
Restaurant Mir Radler 8,12 €
Restaurant   41,95 €
Supermarkt Getränke 33,83 €
Gesamt   90,67 €
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